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Norbert Scheuers Lieblingsorte in Köln

Ein Gastbeitrag von Martin Oehlen

Mit Kall ist Norbert Scheuer persönlich und literarisch aufs Engste verbunden. Mittlerweile hat er erzählend einen ganzen Kosmos um den Ort in der Eifel erschaffen. Selbstverständlich ist das fiktive Kall nicht identisch mit dem real existierenden Kall. Gleichwohl finden sich kulturhistorisch-topographische Verbindungen zuhauf.

Allerdings gibt es auch die eine oder andere Beziehung zu Köln. So hat Norbert Scheuer in den 1970er Jahren einige Jahre zwischen Lehre und Studium, wie er sagt, als Elektriker beim WDR gearbeitet. In unmittelbarer Nachbarschaft zum WDR-Areal in der Straße An der Rechtschule befand sich damals noch das »Wallraf-Richartz-Museum«, das später erst ins damalige Doppelmuseum am Dom und dann ans Rathaus gezogen ist. Der Schriftsteller erinnert sich, dass er zwei Jahre lang nahezu jede Mittagspause dort verbracht habe, um die Kunstsammlung zu besuchen.

MAKK. Innenhof mit Café und dem Lochner-Brunnen von Ewald Mataré. Rechts im Hintergrund: die Minoritenkirche. © Foto Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0, 2011

Seit 1989 ist in dem Gebäude, das 1957 von Rudolf Schwarz in Zusammenarbeit mit Josef Bernard neben der Minoritenkirche errichtet wurde, das »Museum für Angewandte Kunst« zuhause. Dem Ort ist Norbert Scheuer auch über seine Zeit beim WDR hinaus treu geblieben. »Seither ist die Restauration im Innenhof des Museums für Angewandte Kunst immer meine erste Anlaufstelle in Köln, zwischen moderner Architektur und den alten Mauern der Kirche zu sitzen, quasi mitten in der Stadt und doch völlig abgeschieden im Schatten eines schönen Baumes, dessen Namen ich immer noch nicht kenne.« Zu seiner Zeit als Mitarbeiter des WDR sei er allerdings nur im Museum selbst gewesen. »Ich weiß nicht einmal mehr, ob es in den 70ern bereits das Café im Innenhof gegeben hat.«

Und noch eine zweite Anlaufstelle hat Norbert Scheuer in Köln: „Das ist für mich die Stadtbibliothek am Neumarkt.« Der Schriftsteller sagt: »In bestimmten Phasen meiner Arbeit sitze ich gerne dort in der zweiten oder dritten Etage am Fenster, blicke in den Haubrich-Hof hinunter, lese und exzerpiere für ein neues Romanprojekt. Später gehe ich dann endlich hinunter zur Eisdiele und trinke auf der Terrasse einen Cappuccino und sehe den Menschen zu, die in die Bibliothek hinein- und hinausgehen. Mittlerweile ist mir der Platz dort fast wichtiger geworden als die Bibliothek.«

Beim Nachsinnen über seine Kölner Lieblingsplätze kommt Nobert Scheuer ein Gedanke: »Übrigens fällt mir jetzt gerade auf, dass die Orte, die mir gefallen, immer irgendwie am Rande des Zentrums liegen, als wollte ich irgendwie dabei sein, aber doch nicht dazu gehören.«

– © Martin Oehlen, 2021

Martin Oehlen

geb. 1955 in Kaldenkirchen, kam 1980 nach seinem Studium zum Kölner Stadt-Anzeiger.1989 wurde er stellvertretender Leiter der Kulturredaktion; gemeinsam mit Reiner Hartmann übernahm Oehlen 1994 die Leitung des Ressorts Kultur; ab 2001 war er alleiniger Ressortleiter. Besonders verdienstvoll war sein Engagement für die Aktionen »Kultursonntag«, »Ein Buch für die Stadt« und für das monatliche »Büchermagazin« des Kölner Stadt-Anzeiger. Als Autor und Rezensent arbeitet er auch nach seiner Pensionierung (2019) für den Kölner Stadt-Anzeiger; gemeinsam mit Petra Pluwatsch betreibt Oehlen den Literaturblog Bücheratlas.

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Heinrich-Böll-Preisträger 2021

José F. A. Oliver liest am 25.11.2021 in der Kölner Zentralbibliothek
José F. A. Oliver beim Hausacher LeseLenz © José Oliver

Unter dem Vorsitz von Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat sich die Jury für den Lyriker und Essayisten José F. A. Oliver als neuen Träger des Heinrich-Böll-Preises entschieden. In der Begründung wurde vor allem Olivers Sprachmagie der Verse sowie seiner Prosa hervorgehoben. Oliver begreife Lyrik als »Seinsform und damit Literatur als grundlegend für die Existenz, weil sie es bei aller erzählerischer Stringenz ermöglicht, die poetische Vieldeutigkeit aufrecht zu erhalten und so das Nebeneinander von Sichtweisen bejaht«. Das aufklärerische Moment in seiner Literatur, die Auseinandersetzung mit Migration, mit Fragen der Integration, mit der Sprache als trennendem und verbindendem Element, stehe, so die Jury, unverkennbar in der Tradition des Denkens Heinrich Bölls.

Den nach dem Kölner Ehrenbürger und Nobelpreisträger Heinrich Böll benannten Preis verleiht die Stadt Köln seit 1985. Am Vorabend der offiziellen Preisverleihung spricht José F. A. Oliver mit Beate Tröger in der Kölner Zentralbibliothek – dort, wo auch das Heinrich-Böll-Archiv beheimatet ist.

José F. A. Oliver, andalusischer Herkunft, wurde in Hausach im Schwarzwald geboren und lebt dort als freier Schriftsteller. Er ist Verfasser von Gedichten, Kurzprosa und Essays zu kulturpolitischen Themen. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen.

Beate Tröger studierte Germanistik, Anglistik und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft in Erlangen und Berlin. Sie lebt in Frankfurt/Main und arbeitet als Literaturkritikerin, Moderatorin und Jurorin.

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Zentralbibliothek der Stadtbibliothek Köln

»Die Töchter haben endlich eine Mutter«

Zentralbibliothek Köln © Foto Thomas Boxberger

Eine wesentliche Rolle in der Literaturvermittlung und -förderung kam seit ihrer Gründung 1890 der Kölner Stadtbibliothek zu, sie war und ist bis heute eine zentrale Anlaufstelle für Leser*innen und Autor*innen gleichermaßen. Bis 1979 war Köln jedoch die einzige Großstadt in Westdeutschland, ohne ein zentrales Bibliothekssystem. –

Anlässlich der Eröffnung einer Zweigstelle in der Antwerpener Straße, gab die »Neue-Rhein-Zeitung« am 16. November 1965 eine Äußerung des damaligen Kulturdezernenten Kurt Hackenberg wieder: »Hier sehen wir den seltenen Fall, daß eine Tochter vor der Mutter geboren worden ist.« Mit dieser geistreichen Bemerkung machte Hackenberg auf einen Umstand aufmerksam, der die schwierige Situation des Kölner Büchereiwesens auf den Punkt brachte:

Zwar verfügte die Stadt über ein gut ausgebautes Zweigstellennetz, das mit Hilfe privater Spenden im 19. Jahrhundert aufgebaut werden konnte, dennoch fehlte in der Mitte Kölns eine leistungsfähige, öffentliche, wissenschaftliche Bibliothek für die Kölner Bevölkerung.

Erste Pläne für den Bau einer Zentralbibliothek gab es bereits 1906. Unter den Stadtteilbibliotheken erwies sich die sogenannte »Volksbibliothek 1«, die mitten im Zentrum lag, als besonders erfolgreich. Hier wurden bereits 35% des Ausleihverkehrs des gesamten Bibliothekssystems abgewickelt. »Die Errichtung einer größeren und reicher ausgestatteten Zentrale anstelle der zu eng gewordenen Bibliothek 1« wurde im Verwaltungsbericht der Stadt Köln von 1910 als ein erstrebenswertes Ziel bezeichnet. Durch die enormen Kriegszerstörungen, insbesondere im Zweiten Weltkrieg, lag eine Umsetzung dieser Pläne jedoch in weiter Ferne. Während die Bestände der Universitätsbibliothek zum überwiegenden Teil während der Kriegsjahre ausgelagert werden konnten, hatten die Volksbüchereien der Stadt unter den Kriegshandlungen schwer gelitten. 1945 existierten hier von ehemals 170 000 Bänden nur noch 61 000, von denen wiederum lediglich 3600 zur Verfügung standen, da zunächst nur vor 1933 erschienen Werke zum Leihverkehr zugelassen wurden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Wiederaufbau des Kölner Büchereiwesens vor allem durch eine großflächige Literaturversorgung des Kölner Stadtraums betrieben. Der erste Direktor nach dem Krieg, Leo Schwering, stand 1945 vor den Trümmern. Keine der vierzehn Büchereien war verschont geblieben; die meisten waren vollständig zerstört. 1945 konnten bereits 4 Büchereien und die Musikbücherei in provisorisch hergerichteten Unterkünften und mit magerem Angebot eröffnet werden. 1946 war auch die Blindenbücherei wieder zugänglich. Die Weichen für den Aufbau der Kölner Büchereien waren gestellt. Bis 1958 wurden sieben weitere Ortsteilbüchereien eröffnet. Die Direktion, die abgetrennt von den Zweigstellen in Bürohäusern untergebracht war, bezog nach mehreren Umzügen 1953 ihr Standquartier im Johannishaus. Dort blieb sie über 25 Jahre. 1959 stimmte der Rat der Stadt dem Entwurf für den Bebauungsplan am Josef-Haubrich-Hof zu. Hier sollten langfristig, neben dem Museum Schnütgen, eine Volkshochschule, die Kunsthalle und die Zentralbibliothek entstehen. Erst zwanzig Jahre später kam es zur Ausführung dieser ambitionierten Vorhaben.

Geplant wurde eine Bibliothek, die den Anforderungen an eine Großstadtbibliothek jener Jahre gerecht wird. Modernste Technik, große Benutzerfreundlichkeit sowie ästhetische und städtebauliche Gesichtspunkte wurden bei der Planung berücksichtigt.

 »Inhalt und Funktion sollen von Außen sichtbar und verständlich sein. Dieser Absicht kommt am besten ein transparentes Haus entgegen, in das man hineinsehen kann und dessen Lebendigkeit und Vielfalt nach außen wirken. Wie eine Vitrine, ein Schaufenster soll die Zentralbibliothek Neugier wecken und den Wunsch einzutreten.«  

Horst-Johannes Tümmers, 1979

Besonderen Wert wurde auch auf die Inneneinrichtung und das visuelle Erscheinungsbild gelegt, das von dem Designer Helmut Schmidt-Rehn konzipiert wurde.  Bauplanung und -ausführung ist das Ergebnis einer engen und konstruktiven Zusammenarbeit von Bibliothekar*innen, Architekt*innen, Designer*innen und bildenden Künstler*innen. Nach vierjähriger Bauzeit wurde Kölns erste Zentralbibliothek am 21. September 1979 feierlich im Forum der VHS am Josef-Haubrich-Hof, an dem neben den Stadthonoratioren auch der Ministerpräsident des Landes NRW Johannes Rau (1931–2006) und Heinrich Böll teilnahmen, eröffnet. Besonders erfreulich war, dass nun auch den Sondersammlungen gebührender Raum zugesprochen wurde. Vier Tiefgeschosse boten hinreichend Platz um die Bestände der Stadtbibliothek und der Archive adäquat zu lagern. Neben dem LiK– und Heinrich-Böll-Archiv konnte sich auch die von Heinrich Böll und Paul Schallück gegründete Spezialbibliothek zum deutschsprachigen Judentum, die »Germania Judaica« räumlich entfalten.

Umtrunk nach der Eröffnung: v.l.n.r.: Horst J. Tümmers, Johannes Rau, Marianne Kühn, Heinrich Böll, Peter Nestler © Foto Stadtbibliothek Köln