Zur Geschichte des Heinrich-Böll-Archivs
»Ich freue mich auch sehr, daß mein Archiv nun hier untergebracht ist, […]«.
Heinrich Böll, 1979

Im September 1979 wurde die Zentralbibliothek der Stadtbibliothek Köln feierlich eröffnet. Im Gegensatz zu anderen Großstadtbibliotheken verfügte Köln nur über ein dezentrales Bibliothekssystem, so dass die Fertigstellung der Zentralbibliothek am Josef-Haubrich-Hof ein besonderes und langersehntes Ereignis für die Kölner Bürger und Bürgerinnen war. Der damalige Bibliotheksdirektor Horst-Johannes Tümmers (1926–2007) traf eine gute Entscheidung, als er Heinrich Böll bat, die Eröffnungsrede beim Festakt zu halten. Böll, der von der Notwendigkeit Öffentlicher Bibliotheken zutiefst überzeugt war, kam dieser Bitte gerne nach. Beim Festakt am 21. September 1979 im Forum der VHS am Josef-Haubrich-Hof, an dem neben den Stadthonoratioren auch der Ministerpräsident des Landes NRW Johannes Rau (1931–2006) teilnahm, hielt Böll eine flammende Rede mit dem Titel Lesende Staatsbürger sind nicht die gehorsamsten und forderte, dass Bibliotheken Freiheitsräume sein müssen. Ferner gab er die Übergabe seines Archivs in Form einer Dauerleihgabe an die Stadtbibliothek bekannt:
»Ich freue mich auch sehr, daß mein Archiv nun hier untergebracht ist, ich weiß nicht, was das nützen wird oder nützen soll, ich hoffe nur, daß die Unterlagen, die Arbeitsunterlagen eines nicht mehr so jungen Autors, vielleicht die Stadt Köln dazu veranlassen werden, sich um jüngere Autoren etwas intensiver zu kümmern. Das kann ganz interessant werden, wenn ein umfangreicheres Literaturarchiv mit Nachlässen auch weniger bekannter Autoren, die ja manchmal wichtiger sind als bekannte, hier gegründet wird.«
Heinrich Böll: Lesende Staatsbürger sind nicht die gehorsamsten, 1979
Um die Zurückführung und Übernahme von Bölls Archiv hatten sich insbesondere Horst-Johannes Tümmers, Hugo Stehkämper (1929–2010), Direktor des Historischen Archivs der Stadt Köln, sowie der Kölner Kulturdezernent Kurt Hackenberg (1914–1981) intensiv bemüht, veranlasst letztlich durch den 1974 öffentlich gewordenen Umstand, dass Bölls Materialien seit einigen Jahren in der Universität von Boston/USA lagerten.
Die überlassenen Archivalien übernahm die Stadtbibliothek auf Bölls Wunsch in das gleichzeitig mit der Eröffnung der Zentralbibliothek als eigene Abteilung gegründete Heinrich-Böll-Archiv, das sich zur wichtigsten nationalen und internationalen Forschungseinrichtung über den Kölner Nobelpreisträger entwickelte. Viktor Böll (1948–2009), ein Sohn von Heinrich Bölls Bruder Alois, wurde zu dessen Leitung bestimmt. Die Dauerleihgabe ging 1984 durch Ankauf von der Stadt Köln in deren Besitz über. 1997 wurde das Heinrich-Böll-Archiv in freigewordene Bibliotheksräume in der Antwerpener Str. 19-29 verlegt, eine Rückführung in die Räumlichkeiten der Zentralbibliothek erfolgte 2009. Durch den partiellen Umbau der 2. Etage des Gebäudes entstand ein Ausstellungsbereich, in dem monografische und thematische Wechselausstellungen über das Leben und Werk Heinrich Bölls gezeigt werden können. Ein Höhepunkt bildet hier eine dauerhafte Präsentation des Arbeitszimmers Heinrich Bölls mit originalen Einrichtungsgegenständen, das den Besuchern und Besucherinnen einen Einblick in die Schreibwerkstatt des Nobelpreisträgers gewährt.
Aufgaben und Sammlungsschwerpunkte

Das Heinrich-Böll-Archiv ist ein Kompetenz-Zentrum zu Heinrich Böll, hier wird seit mehr als 40 Jahren das Werk des Schriftstellers gesammelt, erschlossen und publiziert. Das Archiv verfügt über eine einzigartige Sammlung von werkrelevantem und biographischem Quellenmaterial, sowie wissenschaftlicher Literatur. Auf der Grundlage einer die Aufbewahrung von Nachlässen zwischen dem Historischen Archiv der Stadt Köln und der Stadtbibliothek getroffenen Vereinbarung werden Bölls Typoskripte und Teile der Korrespondenz aus konservatorischen Gründen im Historischen Archiv magaziniert und als Bestand geführt, während die anderen Materialien im Heinrich-Böll-Archiv der Stadtbibliothek verbleiben. Hier erfolgt auch die Bearbeitung und Erschließung der vorhandenen Archivalien in enger Kooperation mit der Erbengemeinschaft Heinrich Böll und der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin. Gemeinsam werden Publikationen, Editionsprojekte, Ausstellungen, Veranstaltungen und weitere Projekte geplant und realisiert. Gesammelt und dokumentiert werden sämtliche Veröffentlichungen Heinrich Bölls, alle Übersetzungen seiner Werke, unpublizierte universitäre Arbeiten sowie jegliche zu Heinrich Böll erscheinende Forschungsliteratur. Zudem wird eine von Böll initiierte Zeitungsausschnittsammlung, die er bereits ab 1952 aufbaute, weitergeführt. Das Archiv legt besonderen Wert auf Veranstaltungen in Form von Lesungen, Vorträgen und Gesprächsrunden. Und nicht zuletzt finden hier Forscherinnen und Forscher aus dem In- und Ausland Unterstützung bei ihrer Arbeit über Heinrich Böll. Für die Konsultation der Bestände stehen temporäre Arbeitsplätze zur Verfügung. Ausleihen außer Haus sind nicht möglich.