60 Jahre »Ansichten eines Clowns« von Heinrich Böll
Heinrich Böll: Ansichten eines Clowns. Taschenbuchausgabe. München: dtv Nr. 400, 1967. Umschlaggestaltung von Celestino Piatti.
Anlässlich der Erstveröffentlichung von Heinrich Bölls Roman Ansichten eines Clowns (1963) gewährt das Heinrich-Böll-Archiv vom 29. Juli bis 23. Oktober 2023 Einblick in die Publikations- und Rezeptionsgeschichte des Romans. Deutsche und internationale Buchausgaben sind ebenso zu sehen, wie eine Zusammenstellung verschiedener Adaptionen des Stoffes.
Heinrich Böll konzipierte Ansichten eines Clowns nach dem Vorbild des griechischen Mythos von Theseus und dem Minotaurus, der in einem Labyrinth gefangen gehalten wurde, und zeichnete darin das berufliche und private Scheitern des »Romanhelden« nach. Die Handlung des Romans erstreckt sich über einen Abend, in dem der Protagonist Hans Schnier in seiner Wohnung sitzt und betrunken, bedürftig und von seiner Freundin verlassen mit Verwandten und Bekannten telefoniert, um sie um emotionale und finanzielle Unterstützung zu bitten. Bei diesen erfolglosen Bemühungen läuft er allerdings, wie in einem Labyrinth, gegen Wände.
In Rückblenden schildert Hans Schnier seine Lebens- bzw. Leidensgeschichte. Er wuchs in vermögenden Verhältnissen auf und hätte in dem Unternehmen seines Vaters Karriere machen können. Aber Ereignisse in der Kriegszeit sorgten mit dafür, dass er sich Mitte der 1950er Jahre, kurz nach seinem Abitur mit seiner Mutter überwarf und das Elternhaus verließ. Er verliebte sich in Marie, die aus einfachen Verhältnissen stammte und in einem katholischen Milieu aufwuchs. Nachdem Hans und Marie einige Zeit, ohne verheiratet zu sein, zusammenlebten, wurde der Druck auf Marie von ihrem stark katholisch geprägten Umfeld so stark, dass die Beziehung zu Hans letztlich scheiterte. Die satirische Darstellung des »stark katholisch geprägten Umfeldes« führte beim Erscheinen des Buches zu heftigen Kontroversen und retrospektiv bezeichnete Böll das Buch als einen »historischen Roman«. Dennoch kann das Buch – unabhängig von der Zeitgenossenschaft – als Konflikt zwischen Individuum und Institution verstanden werden und diese Kontroverse ist zeitlos, wie auch die gescheiterte Liebesbeziehung zwischen Hans und Marie.
Am 29. Dezember 1972 ehrte die Stadt Köln Heinrich Böll mit einem Empfang im Hansasaal des Historischen Rathauses. Anlass der Ehrung war die Verleihung des Nobelpreises für Literatur, den der Preisträger nur wenige Tage zuvor am 10. Dezember in Stockholm überreicht bekam. Im Hansasaal kam es an jenem Abend zu einem für alle anwesenden Gäste unerwarteten Geständnis Bölls. Welche Rolle dabei die Ratsherrenfiguren spielten, lässt sich im folgenden Beitrag nachlesen.
Heinrich und Annemarie Böll mit Sohn Raimund und Oberbürgermeister Theo Burauen im Hansasaal, 29.12.1972, Titelseite der Kölner Bürgerillustrierten, H. 3, 1972.
Am 29. Dezember 1972 ehrte die Stadt Köln Heinrich Böll mit einem Empfang im Hansasaal des Historischen Rathauses. Anlass der Ehrung, die mit einem Eintrag Bölls ins Goldene Buch der Stadt einherging, war die Verleihung des Nobelpreises für Literatur, den der Preisträger wenige Tage zuvor am 10. Dezember in Stockholm überreicht bekam. Die Preisverleihung nahm erstmals der schwedische Kronprinz Carl Gustav vor, der seinen Vater, den erkrankten König Gustav VI. Adolf, vertrat. – Am 9. März des Jahres war dieser noch zu Besuch in der Domstadt. – Heinrich Böll wurde in Stockholm für seine Verdienste zur Erneuerung der deutschen Literatur ausgezeichnet, er war nach Hermann Hesse der zweite deutsche Schriftsteller, der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit dieser Auszeichnung bedacht wurde.
Der Hansasaal bildet das repräsentative Zentrum des Historischen Rathauses, er ist der größte (30 Meter lang, 7,60 Meter breit, 9,58 Meter hoch an der höchsten Stelle) und prächtigste Saal des gesamten Rathausensembles, der für feierliche Zeremonien, den Empfang von Staatsoberhäuptern, Königen und Königinnen oder Ordensverleihungen an verdienstvolle Kölner und Kölnerinnen genutzt wird. Ursprünglich war der Saal, der im 14. Jahrhundert erbaut wurde, die Tagungsstätte der Hanse, später diente er auch als Gerichtssaal. In der Nachkriegszeit musste der Raum aufwendig in seiner hochgotischen Form wiederhergestellt werden, da der Saal im Zweiten Weltkrieg fast völlig ausbrannte.
Außergewöhnlich und beeindruckend ist vor allem die Innenausstattung des Hansasaals. An der südlichen Stirnwand befinden sich die »Neun guten Helden«, sie zählen zum wertvollsten Interieur des Rathauses und stammen aus der Zeit zwischen 1320 und 1330. Die Steinfiguren symbolisieren die drei Zeitalter der Heilsgeschichte des Augustinus und zeigen von links nach rechts: die Christen Karl der Große, König Artus, Gottfried von Bouillon, die Juden Josua, David, Judas Makkabäus sowie die Heiden Julius Caesar, Hektor und Alexander der Große. Die an der Nordseite angebrachten acht Prophetenfiguren aus Eichenholz stammen aus der Zeit um 1410, sie zierten früher die angrenzende Prophetenkammer.
Neben dem Hansasaal bilden weitere Gebäudeelemente, die teilweise miteinander verbunden sind, den Kölner Rathauskomplex. Er besteht aus dem um 1330 errichteten Kernbau mit Walmdach, dem von 1407 bis 1414 angebauten Rathausturm, den die Kölner Zünfte als Zeichen ihrer Stadtherrschaft errichten ließen, und einer vorgelagerten Renaissance-Laube. In einem später angegliederten Verwaltungsakt befinden sich Repräsentations- und Diensträumen der Oberbürgermeisterin beziehungsweise des Oberbürgermeisters. Die Piazzetta, ein 900 Quadratmeter großer und 12,60 Meter hoher Freiraum bildet die Mitte des Gebäudeensembles. Unter dem markanten schwebenden Kunstwerk Baldachin (1980) von Hann Trier finden in der Piazzetta überwiegend Veranstaltungen statt.
Beim Empfang zu Ehren Bölls im Dezember 1972, ging es erwartungsgemäß feierlich und gediegen zu. Der damalige Oberbürgermeister der Stadt Köln, Theo Burauen, hielt eine Laudatio auf den Preisträger, in der er Böll als Mensch bezeichnete, der »kein Freund von pathetischen Auftritten sei, dem überhaupt Äußerlichkeiten und Gepränge mißfielen«. Desweiteren hob Burauen hervor, dass Böll »ein heilsamer Mahner aus bitterer Liebe zum Menschen« sei und bat ihn am Ende seiner Rede, sich ins Goldene Buch der Stadt Köln einzutragen, um »die Namen Köln und Böll in einem Buch zu vereinen«.
Goldenes Buch der Stadt Köln, Bd. 3, Historisches Archiv Köln. Signatur: HAStK Best. 7550, U 1833
In seiner Dankesrede, wie aus den Berichterstattungen in der Lokalpresse zu entnehmen ist, gestand der Literaturnobelpreisträger eine ›Straftat‹, die in die unmittelbare Nachkriegszeit zu datieren ist. Demnach fand Böll vor fast dreißig Jahren zwischen den Trümmern des zerstörten Rathauses den Fuß von einer der beschädigten Ratsherrnfiguren aus dem Hansasaal. Anstatt das ›Ratsherrnfüßchen‹ ordnungsgemäß bei der Stadt abzugeben, nahm Böll es mit und benutzte es fortan als Manuskriptbeschwerer. Bei einem seiner zahlreichen Umzüge habe er es im Verlauf der Jahre wohl dann irgendwann verloren. Nach diesem Geständnis ging man zum gemütlichen Teil des Abends über: serviert wurden traditionell Kölsch und kalte Platten, es wurde geplaudert und Böll ließ sich von Stadtkonservator Dr. Fried Mühlberg die Besonderheiten der Wandfiguren im Hansasaal erklären. Ein gelungener Empfang!
Im Dezember 2022 jährte sich zum fünfzigsten Mal die Verleihung des Literatur-Nobelpreises an Heinrich Böll. Aus diesem Anlass lud Oberbürgermeisterin Henriette Reker zu einer Veranstaltung des Heinrich-Böll-Archivs der Stadtbibliothek Köln in Kooperation mit der Heinrich Böll Stiftung Berlin, der Erbengemeinschaft Heinrich Böll, dem Verlag Kiepenheuer & Witsch und dem dem Kulturradio WDR 3 in die Piazetta des Historischen Rathauses ein. Es diskutieren die Verlegerin Kerstin Gleba (Kiepenheuer & Witsch), die Schriftstellerin Katja Lange-Müller, der Schriftsteller Thomas von Steinaecker und der Rundfunkautor Terry Albrecht über die Wirkung, die Heinrich Bölls Literatur und sein gesellschaftliches Engagement damals hatte und welche Bedeutung ihm heute noch zukommt. Die Moderation hatte die Literaturkritikerin Sandra Kegel.
Die Berliner Autorin Katja Lange-Müller sprach an diesem Abend über das erzählerische Werk Heinrich Bölls. Einige Aspekte ihrer Ausführungen fasste sie in einem kurzen Text zusammen, den sie dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt hat.
Oberlandesgericht Köln, um 1911, historische Ansichtskarte
Das Oberlandesgericht (OLG) ging aus dem »Rheinischen Appellationsgerichtshof zu Cöln« hervor, den der preußische König Friedrich Wilhelm III. durch Kabinettsorder vom 21. Juni 1819 gründete. 1911 zog das OLG Köln vom Appellhofplatz in das Justizgebäude am Reichenspergerplatz um, das nach Plänen des Geheimen Oberbaurats Paul Thoemer (1851-1918) in neubarockem Stil erbaut worden war. Heinrich Böll, der einige Jahre in der Hülchrather Straße, also in unmittelbarer Nähe des OLG wohnte, nannte den Bau »das Schloß«. Auch aus anderen Gründen war ihm das Gebäude am Reichensperger Platz sehr vertraut, da er in den 1970er Jahren in zahlreiche Rechtsstreitigkeiten verwickelt war. Angefangen von Schadensersatzklagen gegen den WDR im Zusammenhang mit dem Fernsehfilm Fedor M. Dostojewski, der am 10. Oktober 1972 mit einem Vergleich vor dem Oberlandesgericht Köln (OLG) endete, über eine Unterlassungsklage gegenüber dem ›ZDF-Magazin‹ Moderator Gerhard Löwenthal bis hin zu dem mit großer medialer Begleitung stattgefundenen Prozess gegen den Journalisten Matthias Walden und den ›Sender Freies Berlin‹ (SFB). Mehr darüber im nachfolgenden Beitrag.
Das Justizgebäude am Reichenspergerplatz wurde von 1907 bis 1911 im neubarocken Stil errichtet und war damals das größte Gerichtsgebäude in Preußen. Das neue, palastartige Gerichtsgebäude kostete 5,6 Millionen Mark und wurde am 7. Oktober 1911 seiner Bestimmung übergeben. Zur Zeit der Einweihung war das Gerichtsgebäude das größte in Deutschland mit 34 Sitzungssälen, 400 Geschäftszimmern, mit einer imposanten Eingangshalle und Fluren von mehr als 4 km Gesamtlänge. Dazu zählt auch eine für damalige Zeiten moderne technische Ausrüstung wie elektrisches Licht, Fernsprechsammelanlage und Aufzug. Das schlossartige Bauwerk sollte ein Symbol für die Unabhängigkeit der Gerichte gegenüber Königshäusern und Kirche sein. Ausdruck dafür ist auch eine Darstellung der römischen Göttin Justitia im Fries über dem Hauptportal. Die richtende Göttin der Gerechtigkeit ist dort in einem Relief ohne Augenbinde dargestellt – Ausdruck dafür, dass die Justiz zwar blind ist gegen Standesunterschiede, aber nicht blind gegenüber dem Menschen, dem sie in die Augen schaut.
Von 1969 bis 1982 wohnte Böll in der Hülchrather Straße ganz in der Nähe des Kölner Oberlandesgerichts. In dem 1972 veröffentlichten Essay Hülchrather Straße Nr. 7 erwähnte Böll auch das Gerichtsgebäude am Reichenspergerplatz:
»Beherrschend für das Viertel ist das große Schloß mit der weitläufigen Fassade, es zieht viele Besucher an, weil in ihm die große Dame mit den verbundenen Augen residiert; sie entscheidet über Ehen, Scheidungen, Miet- und Wohnungsstreit, Beleidigungsklagen, klärt Besitzverhältnisse. Es wäre ungerecht zu sagen, die Dame in ihrem Schloß wäre unproduktiv; eins wird ganz gewiß in ihrem Herrschaftsbereich produziert: Staub, jener besondere Staub, der sich in und auf Akten sammelt.«
Heinrich Böll: Hülchrather Str. Nr. 7
Die von Böll erwähnte »Dame mit den verbundenen Augen« ist die traditionelle Darstellung der Justitia mit Binde vor den Augen und einer Waage in der Hand. Eigentlich hätte ihm der Fries mit der Justitia ohne Augenbinde über dem Hauptportal auffallen müssen, da er in den 1970er Jahren in zahlreiche Rechtsstreitigkeiten verwickelt war. Angefangen von Schadensersatzklagen gegen den WDR im Zusammenhang mit dem Fernsehfilm Fedor M. Dostojewski, der am 10. Oktober 1972 mit einem Vergleich vor dem Oberlandesgericht Köln (OLG) endete, über eine Unterlassungsklage gegenüber dem ›ZDF-Magazin‹ Moderator Gerhard Löwenthal bis hin zu dem mit großer medialer Begleitung stattgefundenen Prozess gegen den Journalisten Matthias Walden und den ›Sender Freies Berlin‹ (SFB).
In der Spätausgabe der Tagesschau machte Matthias Walden am 21. November 1974 mit teils falschen, teils ungenauen oder aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten Böll für ein Attentat auf den Berliner Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann mitverantwortlich. Böll verklagte Walden und den SFB daraufhin vor dem Kölner Landgericht auf die Zahlung eines Schmerzensgeldes. Die Klage wurde zurückgewiesen. Böll ging jedoch in die nächste Instanz – nicht, weil ihm an der persönlichen Auseinandersetzung mit Walden gelegen war, sondern weil er von einem Gericht klären lassen wollte, »wo die Grenzen zwischen Meinungsfreiheit und Verleumdung verlaufen«.
In zweiter Instanz sprach sich das Oberlandesgericht im Mai 1976 für eine Teilzahlung des Schmerzensgeldes aus. Nachdem dieses Urteil zwei Jahre später im Mai 1978 vom Bundesgerichtshof (BGH) aufgehoben wurde, legte Böll eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) mit der Begründung ein, dass es in diesem Rechtsstreit um eine Abwägung der Grundrechte des Persönlichkeitsschutzes und der Pressefreiheit ginge. Im Juli 1980 wurde das BGH-Urteil durch das BVG aufgehoben, das die Klage zur erneuten Verhandlung an den BGH zurückwies, da in diesem Fall das Grundrecht des Persönlichkeitsschutzes höher zu bewerten sei als das der Pressefreiheit. Nach sieben Jahren Rechtsstreit entschied der Bundesgerichtshof im Dezember 1981 dann zugunsten Heinrich Bölls.
Daneben schrieb Heinrich Böll auch Gutachten für angeklagte Schriftstellerkollegen. »Als Autor ist man manchmal gezwungen, Gesetzesübertretungen in Erwägung zu ziehen, um ein Kunstwerk zu schaffen.« (KStA, 10.11.1976) So verteidigte Heinrich Böll den Kölner Schriftsteller Günter Wallraff, der im Urkundenfälschungs-Prozess am 9. November 1976 im Kölner Landgericht wegen Vorlage einer falschen Steuerkarte vom Gerling-Konzern angezeigt wurde, nachdem er seine Beobachtungen in dem Buch Ihr da oben – wir da unten veröffentlicht hatte.
Seine reichlichen Erfahrungen mit der deutschen Gerichtsbarkeit finden auch Eingang in seinem oben erwähnten Essay über das »Schloß« in der die Dame mit den verbundenen Augen« residiert:
»Da findet so manche rasche Verwandlung statt, die sichtbaren Türhüter sind freundlich, die unsichtbaren Türhüter, ich nehme an, sie lächeln, nicht verächtlich, eher traurig, wohl weil sie ahnen, daß hier auf ewig Mißverständnis herrscht: Mißverständnis über die verschiedenen Arten der Wörtlichkeit, die permanent hier aufeinanderprallen, die Wörtlichkeit der Eingeweihten und Einverstandenen mit der der anderen, die nicht begreifen können und wollen, daß geschriebenes, gesprochenes Recht eine andere Wörtlichkeit hat als ihr Streben, Gerechtigkeit zu erlangen. Da wird, was klar schien, unklar, geschriebenes, gesprochenes, ausgelegtes und gedeutetes Recht hat eine andere Dimension als jener Wunsch nach Gerechtigkeit, der eine andere Selbstverständlichkeit hat, als in diesem Labyrinth sichtbar wird.«
Verhandlung vor dem Kölner Landgericht gegen Günter Wallraff am 9.11.1976. In: Kölner Stadt-Anzeiger, 10.11.1976, S. 10 u.d.T.: Verbotenes ohne Strafe. Heinrich Böll sprach vor dem Landgericht als Sachverständiger.
2017 wurde in Köln die neue Lesekampagne Junges Buch für die Stadt ins Leben gerufen, an der sich neben dem Kölner Stadt-Anzeiger und dem Literaturhaus Köln auch die Stadtbibliothek Köln beteiligt. Anlässlich des 100. Geburtstages von Heinrich Böll wurde dessen Glosse Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral, die 2014 als Bilderbuch umgesetzt und von dem französischen Zeichner Émile Bravo illustriert wurde, als Junges Buch für die Stadt ausgewählt.
2017 – Heinrich Böll / Emile Bravo: Der kluge Fischer.
2018 – Anke Kuhl / Alexandra Maxeiner: Alles lecker!
2019 – Andrea Schomburg / Dorothee Mahnkopf: Der Mondfisch in der Waschanlage.
Seit Mai 2023 hat Köln ein weiteres Festival, in dessen Zentrum die Lyrik steht. Der Titel Anderland, so der poetische Name des neuen Veranstaltungsformats, stammt aus Jens Hagens Köln-Poem. – Die Reihe startet mit Federico Italiano, Raoul Schrott und Jan Wagner in der Kölner Zentralbibliothek.
Federico Italiano liest Gedichte aus seinem Buch Sieben Arten von Weiß auf Italienisch und Raoul Schrott und Jan Wagner tragen ihre jeweiligen Übersetzungen der Texte vor. Italiano gehört laut der Zeitung La Repubblica zu den »stärksten Lyrikern seiner Generation«. Seine Gedichte verbinden auf höchst originelle Weise Naturbetrachtung mit weltumspannend postmodernen Bildern, in denen exotische Riesenkrabben ebenso auftauchen wie nigerianische Scrabble-Weltmeister. Seine spielerisch elegante Lyrik sucht auch den Dialog mit anderen Poeten, ob man sich mit Ted Hughes zum Kaffee verabredet oder Brodsky ein Postskriptum schreibt. Sieben Arten von Weiß versammelt die schönsten Gedichte von Federico Italiano.
Am zweiten Abend stehen die Bücher von Raoul Schrott Inventur des Sommers und Jan Wagners Neuübersetzung von Unterm Milchwald von Dylon Thomas im Mittelpunkt.
Lockdowns und Krieg haben in der Gegenwart große Lücken aufklaffen lassen. Raoul Schrotts formensprengende Gedankengedichte erkunden, wie sehr unser Denken, Handeln und Fühlen vom Absenten geprägt ist. Vermag es die Poesie, das Verlorengegangene wiederzubringen? Was bleibt und was lassen wir zurück, wenn wir gehen? Kunstvoll, klug und sinnlich rückt dieser zwischen Essay und Lyrik mäandernde Band ein buntes Kaleidoskop jener zersprungenen Momente vor Augen, die das Leben ausmachen.
Das legendäre Werk Unterm Milchwald des walisischen Dichters Dylan Thomas liegt in einer neuen Übersetzung von Jan Wagner vor, der das Werk als das schönste Stück Literatur bezeichnet, »das jemals über den Äther lief«. Der Morgen beginnt in dem kleinen Fischerdorf Llareggub an der walisischen Küste. Wir folgen den Bewohnern in ihre Träume, wir sitzen in den Stuben, hören die Gespräche in einer Schenke, schauen in die Brautkammern unverheirateter Mädchen und folgen den heimlichen Liebespaaren hinauf in den Milchwald.
Federico Italiano, 1976 in Novara geboren, lebt als Lyriker, Übersetzer und Herausgeber in Wien, wo er an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften forscht. An der LMU München ist er Dozent für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. Seine Lyrik wurde unter anderem 2020 mit dem Tirinnanzi-Preis ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt. Bei Hanser gab er 2019 mit Jan Wagner die Anthologie “Grand Tour. Reisen durch die junge Lyrik Europas” heraus.
Raoul Schrott, geboren 1964, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Peter-Huchel-Preis. Bei Hanser erschienen 2018 der Essayband Politiken & Ideen und 2019 der Roman Eine Geschichte des Windes oder Von dem deutschen Kanonier der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal. Schrott arbeitet zurzeit im Auftrag der Stiftung Kunst und Natur an einem umfangreichen Atlas der Sternenhimmel. 2023 wird er die Ernst-Jandl-Dozentur der Universität Wien innehaben.
Jan Wagner wurde 1971 in Hamburg geboren und lebt in Berlin. Zuletzt erschienen Die Life Butterfly Show (2018) sowie die Essaybände Der verschlossene Raum (2017) und Der glückliche Augenblick (2021). Für den Gedichtband Regentonnenvariationen (2014) gewann er 2015 den Preis der Leipziger Buchmesse, 2017 wurde er mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.
Dylan Thomas, 1914 in Swansea geboren, 1953 in New York gestorben, arbeitete ab 1934 für Zeitschriften und die BBC in London. 1949 zog er sich in den kleinen walisischen Fischerort Laugharne zurück. Er schrieb Gedichte, Essays, Briefe, Drehbücher, autobiographische Erzählungen und das Stück Unterm Milchwald, das postum mit dem Prix Italia 1954 ausgezeichnet wurde.
Die Veranstaltungen finden in Kooperation der Stadtbibliothek Köln mit der Buchhandlung Bittner und dem Institut für Deutsche Sprache und Literatur I der Universität zu Köln statt.
In einer kleinen Präsentation zeigt das Literatur-in-Köln-Archiv (LiK) vom 8. Mai bis 5. Juli 2023 eine Auswahl der Druckwerke von Rolf W. Wülfing. In seinem Sülzer Atelier in der Ägidiusstraße entstehen Bücher, Kunstbücher, Flyer, Postkarten und Mappenwerke, die Wülfing noch im klassischen Buchdruckverfahren auf mechanischen Handpressen herstellt. Über seine Arbeit und die Entstehung seiner Bücher schreibt Wülfing:
»Ich wollte schon immer ein Buch machen… ich habe in Aachen Chemie studiert, in der Klenkes-Druckerei an einer ›Heidelberg‹ Farbe auf die Walzen aufgetragen, nach meiner Berufstätigkeit als Chemielehrer 2011 ein Atelier gemietet, Schriftsätze und eine Druckwalze ›Nudel‹ gekauft und angefangen ein Buch mit eigenen Texten zu drucken. Viele Tipps habe ich von ehemaligen Schriftsetzern, Druckern, Graphikern, Buchbindern, die interessiert in mein Atelier hineingeschaut haben, erhalten. Ich habe gelernt, was reproduzierbarer Papiersitz, Aufzugstärke, Verlaufsrichtung, Falzbein bedeutet … und schließlich gab es gebunden das erste Buch Ich muss nicht immer Freitags nach Venedig fliegen, die Raus- und Heimtexte… Die Arbeit hat mir viel Spaß gemacht und ich war stolz. Mittlerweile betreibe ich im 11ten Jahr eine kleine Druckerei, habe fast 20 Bücher und graphische Druckwerke geschaffen. Die Themen schöpfe ich aus meiner Umgebung, meinem Leben und meinen Fragen, Erinnerungen und Interessen. Zudem drucke ich kleine Aufträge für private Anlässe und Geschäfte. Arbeiten u.a. von Lawrence Wiener, Graphik und reduzierte Darstellungen sind meine Orientierung. In versteckter Weise schöpfe ich vermutlich aus der Kombination Chemie, Lehrertätigkeit und praktizierter Musik die Lust zur Arbeit. Ich finde Sinn im Gestalten und Drucken. So soll es weitergehen!«
Die Poetica ist ein internationales Literaturfestival, das seit 2015 jährlich in Köln stattfindet. Es wird von der Universität zu Köln in Kooperation mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und kulturellen Einrichtungen der Stadt Köln veranstaltet und rückt im Besonderen die Lyrik als marginalisierte Gattung der Weltliteratur in den Blickpunkt. Ein Autor bzw. eine Autorin kuratiert und moderiert das Festival und lädt zu einem Leitthema bis zu zehn prominente Dichter*innen aus aller Welt ein. Die Ausgangsidee für die Poetica war, dass Literatur ebenso Wissen formt wie die Wissenschaften und der Vergleich ästhetischer Ideen im Dialog von Dichter*innen und Wissenschaftler*innen einen hervorragenden Zugang zum Verständnis fremder Kulturen und ihrer potentiell unterschiedlichen Antworten auf zentrale Daseinsfragen ermöglicht.
Charakteristisch für die Poetica ist die Präsenz aller Autor*innen bei den Veranstaltungen der Festivalwoche sowie die Vielfalt ihrer Veranstaltungsorte und Formate, von Diskussionen in der Universität und einer Schreibwerkstatt für Studierende über Lesungen bis zur szenischen Umsetzung von Poesie im Schauspiel Köln. Die literarischen Texte werden bei allen Veranstaltungen in der jeweiligen Originalsprache durch die Autor*innen und in deutscher Sprache durch Schauspieler*innen vorgetragen. Die Moderationen erfolgen in der Regel in englischer und deutscher Sprache. Die Haupttexte und Essays dokumentiert eine Buchpublikation, die zum Auftaktabend der Poetica vorliegt. Von 2015 bis 2021 war die Poetica Teil des Internationalen Kollegs Morphomata.
Die Poetica ist ein internationales Literaturfestival, das seit 2015 jährlich in Köln stattfindet. Es wird von der Universität zu Köln in Kooperation mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und kulturellen Einrichtungen der Stadt Köln veranstaltet und rückt im Besonderen die Lyrik als marginalisierte Gattung der Weltliteratur in den Blickpunkt. Ein Autor bzw. eine Autorin kuratiert und moderiert das Festival und lädt zu einem Leitthema bis zu zehn prominente Dichter*innen aus aller Welt ein. Die Ausgangsidee für die Poetica war, dass Literatur ebenso Wissen formt wie die Wissenschaften und der Vergleich ästhetischer Ideen im Dialog von Dichter*innen und Wissenschaftler*innen einen hervorragenden Zugang zum Verständnis fremder Kulturen und ihrer potentiell unterschiedlichen Antworten auf zentrale Daseinsfragen ermöglicht. Weitere Informationen gibt es hier.
Die Poetica 8 findet vom 17. bis 22. April 2023 unter dem Motto »Das chorische Ich – Writing in the name of« an verschiedenen Orten, u. a. auch am 20. April 2023 in der Kölner Zentralbibliothek, statt.