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Wohnorte von Dieter Wellershoff

Mainzer Straße

Dieter Wellershoff vor der Haustür seiner Wohnung in der Mainzer Straße, um 1990

1978 war Dieter Wellershoff finanziell in der Lage eine Wohnung in einem heute unter Denkmalschutz stehenden Haus in der Mainzer Straße zu kaufen. Das Stadtbild in der Kölner Südstadt ist nach wie vor durch historische Fassaden aus der Gründerzeit geprägt. Damit ist die Südstadt einer der wenigen Bereiche in Köln, in dem es noch eine zusammenhängende historische Bebauung gibt. Ein Beispiel hierfür ist die attraktive Mainzer Straße, bei der zusätzlich noch der ursprünglich im Köln der Vorkriegszeit viel stärker verbreitete Alleencharakter erhalten ist. Als die Stadt Köln 1991 Baumfällarbeiten in der Straße veranlasste, kam es zu einer Protestaktion der Anwohner. Um ein Zeichen zu setzen, übernahm Wellershoff die Patenschaft für eine neu gepflanzte Robinie.

»In der Mainzer Straße blühen die Robinien. Die mattweißen Blütengehänge in dem lichten Laub sehen im Schein der Straßenlampen weich und locker aus wie große Schaumtropfen. Nehmen wir an, dies ist ein üppiges Blütenjahr, und die alten Bäume zeigen wieder einmal, was in ihnen steckt.«

Dieter Wellershoff: Pan und die Engel (1990)
Buchumschlag der Erstausgabe

Wellershoff zog von Sülz in ein Viertel, das für den Autor bis zu seinem Tod (2015) nicht nur Lebensmittelpunkt, sondern auch Inspirationsquelle war. Die Kölner Südstadt wurde zu seinem »Biotop«. Hier entstand der größte Teil seines literarischen Werkes. Viele Schauplätze, die er in seinem Roman Der Liebeswunsch beschrieb, liegen im Römerpark und dessen Umgebung. Eine Hommage an Köln und insbesondere an die Südstadt ist sein Buch Pan und die Engel, in dem er sein Revier neugierig durchstreift. Es liegt zwischen der »Bonner Straße und der Rheinuferstraße, wird im Süden von dem Bahndamm begrenzt.« Im Norden stößt es an das Stollwerkviertel und führt von der Bottmühle zur Severinskirche und noch ein Stück in die Severinstraße hinein. Wellershoff war endlich angekommen, im Vergleich zu seinen früheren Wohnorten fand er für sein Schreiben in der neuen Wohnung optimale Arbeitsbedingungen:   

»Die Wohnung ist genau das, was wir brauchen. Vorne, zur Straße hinaus, liegen die Wohnräume. Von dort führt ein langer, zweimal um die Ecke biegender Gang, an dem noch zwei Zimmer liegen, zu meinem Arbeitszimmer. Es ist das erste, das groß, ausreichend heizbar und im Sommer nicht zu warm ist. Obwohl das eine Großstadtwohnung ist, die noch im näheren Umkreis der Kölner Innenstadt liegt, ist es erstaunlich still hier. In meinem Arbeitszimmer höre ich keinen Lärm, sondern nur ausdrucksvolle, man könnte auch sagen erzählerische Geräusche. Wenn der Wind entsprechend steht, höre ich nachts die Güterzüge über die Südbrücke rollen, bei Nebel tuten auf dem Rhein die Lastschiffe wie riesenhafte Seekühe, die einander anmuhen. An hohen kirchlichen Feiertagen tönen von ferne die Domglocken herüber und aus der Nähe die von St. Severin. Sonntagmorgens bimmelt das helle Glöckchen des Karmeliterinnenklosters und ruft ein paar Hausnummern weiter die kleinen alten alten Nonnen zur Andacht, denen ich häufig in der Straße begegne.«

Dieter Wellershoff: Die Arbeit des Lebens (1985)

– GE

Literatur: Wellershoff: Pan und die Engel, S. 293f.; Die Arbeit des Lebens, S. 239f.