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Jovan Nikolić: Der Park am Aachener Weiher

Bei Ankunft in Köln, noch vor dem Verlassen des Hauptbahnhofs und der Begegnung mit dem unwirklich großen Dom, spürte ich im Plexus-Solaris, meinem zuverlässigen Radar, dass ich mich in einer Stadt mit besonderen Schwingungen befinde, in einer Stadt, die auf den Menschen zugeschnitten ist und meiner Heimatstadt Belgrad ähnelt, die ich verlassen musste. Die Könige unter den Straßen und Boulevards, Parks und Plätzen, die vor den Augen der Spaziergänger verborgen waren, lernte ich kennen, indem ich mit dem Fahrrad fuhr, das in den 2000er Jahren die Verlängerung meiner Beine war, ich könnte auch sagen mein Alter-Ego. Ich lernte viele Plätze und Parks in Köln kennen; Orte, die in mir positive und negative Schwingungen hervorriefen, Orte, an denen ich mich ruhig und zufrieden fühlte, Schönheit und Behaglichkeit erlebte in dieser einzigartigen Stadt voller freundlicher und geselliger Menschen.

Jeder Ort hat seine eigene Lebendigkeit und Energie, durch die er die Menschen, die eine besondere Sinneswahrnehmung besitzen, anzieht oder abstößt. Diese Energie kann als Geist eines Raums bezeichnet werden. Unbehaglich fühle ich mich am Chlodwigplatz und in Nippes, positiv an der Rennbahn, entlang der Promenaden beider Rheinufer und eher unwohl bei Spaziergängen durch den Park vom Hans-Böckler-Platz aus in Richtung Mensa. Jedes Quadrat dieser grünen Oase hat seine persönliche Besonderheit, doch die größte Energie fühle ich im Park am Aachener Weiher, am künstlichen See. Hier halte ich mich sehr gern zum Spaziergang, zur meditativen Ruhepause auf einer Bank oder im Garten eines Restaurants auf, wo ich sonnengebräunte, junge Besucher sehe, einen klaren Himmel und den Widerschein der Sonne auf der Oberfläche des Sees, in dem Wildgänse, Enten, Schnepfenvögel, Haubentaucher und manchmal Schwäne schwimmen. Wunderschön ist die Gegend rund um das Museum für Ostasiatische Kunst im Hiroshima-Nagasaki-Park, dessen Hügel in der Nachkriegszeit aus Trümmern aufgeschüttet wurden und auf dem herausgeputzte Studenten und Jugendliche mit Gitarren und Percussion-Instrumenten zu finden sind. Wenn sie wüssten, an welche persönlichen Tragödien, Familiendramen und Schrecken des Leidens sie sich erinnern und welche Ruinen sie unter ihren Füßen fühlen werden, dann würden die jungen Leute, die leichtsinnig auf dieser Erhebung entlang spazieren, vielleicht barfuß, mit den Schuhen in der Hand, auf Zehenspitzen gehen.

Eines Winters sah ich den zugefrorenen See, auf dem eine Gruppe junger Leute mit Schlittschuhen einen improvisierten Tanz tanzte, der dem Eishockey ähnelte. Ich war nicht frei von Angst und mir der Gefahr bewusst, dass das Eis unter ihrem Gewicht nachgeben könnte, aber es beruhigte mich, zu erfahren, dass die Tiefe des Sees nicht mehr als 1,60 Meter beträgt.

An Frühlings- und Sonnentagen atme und absorbiere ich mit meinen Lungen und Augen, zusammen mit der reinen Luft, die Ästhetik und den Egregor (wie diese Energie von Esoterikern genannt wird) des Ortes, wo sich mein Sein, mein Körper, mein Geist und alle meine Sinne mit Freude befinden. Wenn ich im Gras sitze, spüre ich, wie sich all meine angesammelte unreine Energie auf meinen Füßen ablagert, und wie die Erde sie wegzieht und aufsaugt. Es ist eine Leichtigkeit und Entspannung, die ich in diesen Momenten empfinde, so als ob ich sie mit allen Menschen um mich herum teile und eins werde mit ihnen und mit diesen Schwingungen des Ortes, an dem ich bin. Ich bleibe gerne mit meinem Sohn David in diesem Park, und dort führen wir die besten und klarsten Gespräche.

Auf dem staubigen Weg schieben Eltern Kinderwagen mit Babys, Bierverkäufer erscheinen und junge Mädchen gehen fröhlich mit einer Flasche Bier in der Hand spazieren. In dieser Szene liegt eine freudige Erotik, die charakteristisch für die Mädchen während des Karnevals ist. Erotik in dem Sinne, dass den Männern die Exklusivität entzogen wird, mit einer Flasche Bier herum zu laufen. Eine Erotik, die nicht nur durch die Attribute des Geschlechts, sondern durch die Attribute der Präsentation persönlicher Kühnheit und Freiheit verstärkt wird. Sie verdienen es. Eine Flasche Bier ist nicht bloß ein Ausdruck für Durst oder die Notwendigkeit einer kurzen und leichten Anästhesie, sie ist in diesem Fall nichts anderes als ein Symbol für jene Freiheit, die die moderne Frau in Köln im Namen von Agrippina erlangt hat. Sie war es, die der Stadt den Namen Köln gab, und die gegen die Legende vom Leiden der Heiligen Ursula und der 11.000 Jungfrauen rebellierte. Somit repräsentieren die Mädchen, die freudig mit einer Flasche Bier spazieren gehen, unbewusst das Symbol der Stadt Köln. All diese mehrdeutigen Zaubersprüche kann ich nur in diesem Teil des Parks in Köln erleben. Deshalb setze ich ihm mit der Spitze meines Bleistifts ein Zeichen.


Aus dem Serbischen von Cornelia Marks
Für die Abdruckgenehmigung des bisher unveröffentlichten Textes danken wir dem Autor.