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Wohnorte von Heinrich Böll

Kreuznacher Straße

Wohnhaus der Familie Böll in der Kreuznacher Straße 49 © Erbengemeinschaft Heinrich Böll

Im Juli 1922 bezog die Familie Böll eines von sechs neuerrichteten Wohnhäusern in der Siedlung »Am Rosengarten« im Stadtteil Raderberg. Das Haus wurde von einer Baugenossenschaft errichtet, zu der sich einige Familienmitglieder zusammengeschlossen hatten. Ihr Vorsitzender Theodor Böll war wie der Architekt Aloys Böll ein Onkel Heinrich Bölls. Alle anfallenden Schreinerarbeiten wurden von seinem Vater Viktor übernommen.

Heinrich Böll verbrachte in Raderberg zunächst die wohl unbeschwertesten Jahre seiner Kindheit und ersten Schulzeit. Als Klaus Wagenbach 1965 Böll dazu aufforderte, einen besonderen Ort zu porträtieren, wählte er Raderberg und widmete vor allem dem angrenzenden Vorgebirgspark eine ausführliche Beschreibung.

»Acht Jahre lang wohnten wir in dieser Straße, die von zwei ›Lagern‹ bestimmt war, dem bürgerlichen und dem sozialistischen (das waren damals noch wirkliche Gegensätze!), oder von den ›Roten‹ und den ›besseren Leuten‹. Ich habe nie, bis heute nicht begriffen, was an den besseren Leuten besser gewesen wäre oder hätte sein können.«

Heinrich Böll: Raderberg, Raderthal (1965)

Bölls sorglose Kindheit wurde jäh beendet, als in Folge der Weltwirtschaftskrise 1929 die »Rheinische Kredit-Anstalt«, für die Viktor Böll als Bürge gezeichnet hatte, liquidiert wurde. Durch die 1930 abgerufenen Bürgschaften geriet die Familie in massive wirtschaftliche Bedrängnis, sodass letztlich das Haus in der Kreuznacher Straße veräußert werden musste. »Es war ein düsteres Jahr. Totaler finanzieller Zusammenbruch, nicht gerade eine klassische ›Pleite‹, nur ein ›Vergleichsverfahren‹, ein Vorgang, den ich nicht durchschaute, es klang jedenfalls vornehmer als ›Bankerott‹, hing mit dem Zusammenbruch einer Handwerkerbank zusammen, deren Direktor dann auch, wenn ich mich recht entsinne, hinter Gitter kam. Mißbrauchtes Vertrauen, verfallene Bürgschaften, unseriöse Spekulationen. Unser Haus im Grünen mußte verkauft werden, und es blieb kein Pfennig von der Kaufsumme übrig.«

Markus Schäfer

Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin

Literatur

Siehe: Böll: Raderberg; Böll: Husten