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Wohnort von Dieter Kühn

»Mülheimer Freiheit« – Wiener Platz

Bull-Hochhaus am Wiener-Platz, Köln-Mülheim, Ansichtskarte von 1977 © Stadtbibliothek Köln/LiK-Archiv

Auf der Suche nach einer neuen Wohnung in Köln kontaktierte Dieter Kühn u. a. seine Verlegerin Gertraud Middelhauve, die ihm ein Angebot vermitteln konnte. Neben ihren Verlagsräumen im 16. Stockwerk des »Bull-Hochhauses« am Wiener Platz, wurde gerade eine Wohnung frei, die von Helmut Lotz mit seinem auf lateinamerikanischer Literatur spezialisierten Verlag »día«, bis zu seinem Umzug nach Berlin genutzt wurde. Kühns Bedenken mögen in Anbetracht der Wohnlage berechtigt gewesen sein. Ein Hochhaus am Verkehrsknotenpunkt Wiener Platz war für einen Schriftsteller, der einen ruhigen Arbeitsplatz benötigte, nicht unbedingt ein idealer Ort.

»Erleichterung dann aber beim ersten Inspektionsgang: Das Hochhaus steht mit dem Rücken zum Verkehrskarussell, ist ausgerichtet nach Südosten, Südwesten; vor dem gestaffelten Bau der Stadtgarten mit Weiher. Im Flur der Verlagswohnung setze ich mich auf einen Stuhl, prüfe den Geräuschpegel im Bau. Der Ausblick hinunter auf den kleinen Park, hinüber zum Hügelkamm des Bergischen Landes, hinaus zum Siebengebirge, hat mich sofort bestochen. […] Die Wohnung selbst, sehr helle Räume. Und kaum ein rechter Winkel: Der in den sechziger Jahren gefeierte Architekt hat den Räumen meist rhombischen oder trapezförmigen Grundriss verliehen; mein Arbeitszimmer hat neun Seitenkanten – fast wie ein Turmzimmer.«

Inspirierend wirkt die Aussicht von seinem Arbeitsplatz auf das Siebengebirge, als Kühn seinen Roman Beethoven und der schwarze Geiger (1996) schrieb. »Das Siebengebirge, das Beethoven in Bonn sah, in Sichtnähe. Meine Postanschrift ist ebenso bezeichnungsreich: Wiener Platz, Beethoven in Wien – alles wie arrangiert.« Neben dem Blick in die Ferne betrachtete Kühn mit großem Interesse das Treiben in der Tiefe, denn unter ihm breitete sich, nur wenige Meter vom hektischen Wiener Platz entfernt, der Mülheimer Stadtgarten aus.

»Doch sedierend der Blick hinab auf den kleinen Park mit den Wiesenflächen. Und dem Teich – für mich Mittelpunkt des Areals. Wasser, vielfach windgeriffelt, vielfach sonnengleißend, zumindest vormittags, und durch die Windriffelungen, durch das Lichtgleißen schwimmen Blessrallen und Enten in Grüppchen. Nachts, wenn der Geräuschpegel dieser viertgrößten Stadt der Republik gesenkt ist, höre ich, bei offnem Fenster, zuweilen eine Ente quaken, ja vor sich hin schimpfen, als würde sie den Schauspieler Hans Moser imitieren.«

Entstanden ist die »grüne Lunge« des Stadtteils 1913 nach Plänen von Gartenarchitekt Josef Vincentz in der Senke eines alten Rheinarms. Besonders beliebt ist der Märchenbrunnen des Kölner Bildhauers Wilhelm Albermann (1835–1913). Er zeigt eine aus Bronze gegossene Gruppe spielender Knaben im Mittelpunkt des Brunnens, die von einem wasserspeienden Otter, einem Seelöwen, einer Schildkröte und einer Echse umrundet werden. Ein Denkmal im Park zeigt Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz (1658–1716), einst bergischer Herrscher über die selbstständige Stadt Mülheim und von den Mülheimern wegen seiner Volksnähe verehrt. Gestiftet wurde die Bronzestatue 1914, als die bis dahin selbstständige Stadt »Mülheim am Rhein« eingemeindet wurde.

Das 64 Meter hohe »Bull-Hochhaus« ist eines der innovativsten und frühesten Hochhausbauten in Köln. Es entstand 1959/1960 als 16-geschossiges Gebäude auf einem mächtigen, farblich abgesetzten Sockel und wurde im Auftrag der französischen Elektrofirma »Compagnie des maschines Bull«, die in Köln ihre Deutschland-Zentrale hatte, gebaut.  Der Entwurf stammte von dem Architekten Karl Hell, der in Köln bereits mehrere Bauten, u.a. das Gebäude der Industrie- und Handelskammer zu Köln (Unter Sachsenhausen 10-26) realisieren konnte. Seit den 1990er Jahren steht das »Bull-Hochhaus« unter Denkmalschutz. Über viele Jahre prangte der Namensschriftzug der Firma Bull an der Außenfassade.

– GE

Literatur: Kühn: Magische Auge, S. 1072, 1075f.