
Meine Lieblingsstraße in Köln ist nicht die Severinstraße, auch wenn die sich jetzt neu gestaltet präsentiert, mit Fahrbahn und Trottoir auf einem Niveau, mit U-Bahn-Stationen, fast wie in einer richtigen Großstadt mit einem immer noch vorhandenen Mix von Läden, wo man alles bekommen kann. Wo gibt es das in Köln sonst noch?
Auch nicht auf dem Eigelstein, wo die große Figur des Kölschen Boor am Stadttor Wache hält über Kölsche, Türken, Kurden und wer sonst noch hier lebt. Nun ist die Gaffel-Brauerei fortgezogen, aber ein paar Kneipen und vor allem das »Weinhaus Vogel« halten ihre Position zwischen all den Läden für Brautmoden und 1 Euro-Shops.
Nein, auch nicht die Hohe Straße und die Schildergasse, wo es keine Türen mehr gibt, nur noch große viereckige Löcher, wo man direkt hineinfällt und laut beschallt wird. Und auch nicht die Breite Straße, wo man froh sein muss, dass man sie noch lebend erreicht, wenn man von Kolumba kommt und die Nord-Süd-Fahrt überstanden hat.
Nein, meine Lieblingsstraße liegt im Herzen von Köln, in der Nähe des Neumarkts. Es ist eine kleine Straße, eine ganz kleine Straße, die eigentlich eine Gasse ist und von zwei Straßen, größeren Straßen, begrenzt wird, die aber Gasse heißen.
Meine Straße heißt »Baumstraße«. Das kann man auch auf dem einzigen Straßenschild lesen das diesen Namen trägt. Das steht da, wo die Straße in die Lungengasse abbiegt. Linker Hand ist die Deutsche Rentenversicherung, die wohl viele Kölner kennen. Die liegt fast nur an meiner Baumstraße, hat aber als Adresse Lungengasse 35. Auf der rechten Seite ist ein großes Parkhaus, so vier, fünf Etagen; so ist meine Straße ziemlich düster. In dem Parkhaus befindet sich auch die Gastronomie für das Karree hier, ein Stehcafé.
lm Parterre gibt es die »RheinenergieTanke«, wo man Elektroautos mit Ökostrom versorgen kann. Aber so richtig viele sind das noch nicht.
Meine Straße war mal eine Durchfahrtsstraße, jetzt ist es eine Sackgasse; also für Autos. Räder und Fußgänger fahren und gehen gern durch. Die erste Hälfte, von der Lungengasse aus gesehen, ist asphaltiert und es gibt zwei Laternen, eine sogar mit einer Mülltonne dran. Dann kommen fünf Poller, das heißt: Hallo, keine Autos! Damit man das auch sieht und unter den Füßen bemerkt, ist in diesem Teil alles gepflastert. Und jetzt vier Bäumchen, die noch gar nicht wissen, dass sie mal Bäume werden sollen, so in einer richtigen Baumstraße.
Dann sechs Poller; damit ja nichts den Bäumchen geschieht. Und damit alles ordentlich bleibt, stehen da zwei Glascontainer, weiß/weiß und grün/braun. Und dann kommt die Spinnmühlengasse. Als meine Baumstraße noch eine Durchgangsstraße war, also eine richtige Straße, gab es keine Bäume. Jetzt stehen hier Bäume, aber es ist keine richtige Straße mehr. Und morgen gehe ich mal wieder vorbei. Ich will meinen Bäumchen beim Wachsen zusehen.
Literatur: Foxius: Lieblingsstraße
Für die Abdruckgenehmigung des Textes danken wir dem Autor.