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»Colonia Claudia Ara Agrippinensium«

Ein Gastbeitrag von Martin Oehlen
Römischer Torbogen (Nordtor), Römisch-Germanisches Museum. Foto: © Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_c001794, http://www.kulturelles-erbe-koeln.de

Die Annalen des P. Cornelius Tacitus gelten als ein Höhepunkt der antiken Geschichtsschreibung. Sie widmen sich der Julisch-Claudischen Dynastie, beginnend mit dem Tod von Kaiser Augustus im Jahre 14 n. Chr. und endend mit Kaiser Nero, der von 54 bis 68 regierte. Im 12. Buch dieser römischen Geschichte findet sich jene Passage, in der erstmals geschildert wird, wie aus der Stadt der Ubier, die einst Augustus hatte gründen lassen, die »Colonia Claudia Ara Agrippinensium« (CCAA) geworden ist, also die »Kolonie des Claudius am Altar der Agrippinensier«. Im 27. Kapitel lesen wir:

»Agrippina aber setzte durch, um auch den verbündeten Völkern ihre Macht zu demonstrieren, dass in der Stadt der Ubier, in der sie geboren worden war, Veteranen angesiedelt und eine nach ihr benannte Kolonie gegründet wurde. Zufällig fügte es sich, dass ihr Großvater Agrippa diesen Stamm, nachdem dieser den Rhein überschritten hatte, in den römischen Schutz aufgenommen hatte.«

Ausführlich widmet sich Tacitus dem Leben der Agrippina der Jüngeren (Agrippina minor), der Tochter des Feldherrn Germanicus und der Mutter Neros. Was wir hingegen vom Leben des Schriftstellers selbst wissen, ist mit den Worten des Altphilologen Manfred Fuhrmann »kümmerlich«, ja, sogar »so kümmerlich, dass sich daraus mehr Fragen als Antworten ergeben.« Umso beredter ist sein umfangreiches Werk, wenngleich einiges davon nur fragmentarisch überliefert ist: Agricola, Germania, Historiae und Annales.

Vermutlich unmittelbar nach der kaiserlichen Aufwertung der Stadt im Jahre 50 n. Chr., die mit einigen Privilegien verbunden war, entstand die römische Stadtmauer. Wer sich aus Richtung Novaesium näherte, dem heutigen Neuss, der sah auf dem mächtigen Nordtor die markanten Buchstaben prangen: CCAA. Der mittlere Bogen der dreitorigen Anlage ist eine der Attraktionen des Römisch-Germanischen Museums. Weitere Überreste sind am alten Standort zu besichtigen. Ein Seitenflügel, der als Durchgang für Fußgänger diente, ragt auf der Domplatte auf. Das freigelegte Fundament des rund 30 Meter breiten Nordtores erstreckt sich in der darunter liegenden Tiefgarage über zwei Etagen.

Seitenportal Römisches Nordtor © Foto Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (Via Wikimedia Commons)

Schon Strabo hatte festgehalten, dass Agrippa – also der bereits erwähnte Großvater der Agrippina – den Germanenstamm der Ubier auf der linken Reinseite angesiedelt hatte. Und Tacitus war bereits in seiner Germania auf das »Oppidum Ubiorum« eingegangen. Doch die Passage in den Annalen, den vermutlich zwischen 110 bis 120 n. Chr. entstandenen Jahrbüchern, ist eine Art Urschrift der Stadt. Es ist die älteste bekannte Erwähnung der CCAA in der Literatur. Aus der »Colonia«, dem ersten großen C, wurde viele Jahrhunderte später die Ortsangabe »Köln«.

Der Althistoriker Werner Eck hat sich in seiner fundamentalen Untersuchung zu Köln in römischer Zeit ausführlich mit den Hintergründen der Umbenennung befasst. Für Agrippina spielten sentimentale Erwägungen gegenüber der Stadt, in der sie am 6. November des Jahres 15 n. Chr. geboren worden war, wohl keine zentrale Rolle. Vielmehr sieht Eck in der Koloniegründung einen Nachweis für Agrippinas Machtbewusstsein als Ehefrau des Kaisers Claudius. Er war ihr dritter Ehemann und zugleich ihr Onkel (den sie später angeblich mithilfe eines Pilzgerichts vergiften ließ). Nachdem Claudius seinem Geburtsort Lugdunum (Lyon) den Beinamen Claudia gewährt hatte, zog Agrippina mit der Aufwertung ihres Geburtstortes am Rhein nach. Werner Eck beschreibt die Einzigartigkeit des Vorgangs: »Agrippina war die erste und blieb die einzige Römerin, deren Name mit einer römischen Kolonie verbunden wurde.«

Martin Oehlen

geb. 1955 in Kaldenkirchen, kam 1980 nach seinem Studium zum Kölner Stadt-Anzeiger. 1989 wurde er stellvertretender Leiter der Kulturredaktion; gemeinsam mit Reiner Hartmann übernahm Oehlen 1994 die Leitung des Ressorts Kultur; ab 2001 war er alleiniger Ressortleiter. Besonders verdienstvoll war sein Engagement für die Aktionen »Kultursonntag«, »Ein Buch für die Stadt« und für das monatliche »Büchermagazin« des Kölner Stadt-Anzeiger. Als Autor und Rezensent arbeitet er auch nach seiner Pensionierung (2019) für den Kölner Stadt-Anzeiger; gemeinsam mit Petra Pluwatsch betreibt Oehlen den Literaturblog Bücheratlas.

Literatur
  • Tacitus: Annalen, übersetzt und erläutert von Erich Heller, mit einer Einführung von Manfred Fuhrmann. München 1991.
  • Werner Eck: Köln in römischer Zeit – Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum, Band 1 der Geschichte der Stadt Köln. Köln 2004.
  • Marcus Trier und Friederike Naumann-Steckner: Agrippina – Kaiserin aus Köln. Begleitband zur Ausstellung im Römisch-Germanischen Museum, Köln 2015.