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Heinrich Böll – Hansasaal

Heinrich und Annemarie Böll mit Sohn Raimund und Oberbürgermeister Theo Burauen im Hansasaal, 29.12.1972, Titelseite der Kölner Bürgerillustrierten, H. 3, 1972.

Am 29. Dezember 1972 ehrte die Stadt Köln Heinrich Böll mit einem Empfang im Hansasaal des Historischen Rathauses. Anlass der Ehrung, die mit einem Eintrag Bölls ins Goldene Buch der Stadt einherging, war die Verleihung des Nobelpreises für Literatur, den der Preisträger wenige Tage zuvor am 10. Dezember in Stockholm überreicht bekam. Die Preisverleihung nahm erstmals der schwedische Kronprinz Carl Gustav vor, der seinen Vater, den erkrankten König Gustav VI. Adolf, vertrat. – Am 9. März des Jahres war dieser noch zu Besuch in der Domstadt. – Heinrich Böll wurde in Stockholm für seine Verdienste zur Erneuerung der deutschen Literatur ausgezeichnet, er war nach Hermann Hesse der zweite deutsche Schriftsteller, der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit dieser Auszeichnung bedacht wurde.

Der Hansasaal bildet das repräsentative Zentrum des Historischen Rathauses, er ist der größte (30 Meter lang, 7,60 Meter breit, 9,58 Meter hoch an der höchsten Stelle) und prächtigste Saal des gesamten Rathausensembles, der für feierliche Zeremonien, den Empfang von Staatsoberhäuptern, Königen und Königinnen oder Ordensverleihungen an verdienstvolle Kölner und Kölnerinnen genutzt wird. Ursprünglich war der Saal, der im 14. Jahrhundert erbaut wurde, die Tagungsstätte der Hanse, später diente er auch als Gerichtssaal. In der Nachkriegszeit musste der Raum aufwendig in seiner hochgotischen Form wiederhergestellt werden, da der Saal im Zweiten Weltkrieg fast völlig ausbrannte.

9 gute Helden, Historisches Rathaus Köln, v.l.n.r.: Karl der Große, König Artus, Gottfried von Bouillon, Josua, David, Judas Makkabäus, Julius Caesar, Hektor, Alexander der Große © Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

Außergewöhnlich und beeindruckend ist vor allem die Innenausstattung des Hansasaals. An der südlichen Stirnwand befinden sich die »Neun guten Helden«, sie zählen zum wertvollsten Interieur des Rathauses und stammen aus der Zeit zwischen 1320 und 1330. Die Steinfiguren symbolisieren die drei Zeitalter der Heilsgeschichte des Augustinus und zeigen von links nach rechts: die Christen Karl der Große, König Artus, Gottfried von Bouillon, die Juden Josua, David, Judas Makkabäus sowie die Heiden Julius Caesar, Hektor und Alexander der Große. Die an der Nordseite angebrachten acht Prophetenfiguren aus Eichenholz stammen aus der Zeit um 1410, sie zierten früher die angrenzende Prophetenkammer.

Kölnisch um 1414, Acht Propheten, Eichenholz, Höhe 113-117 cm, Historisches Rathaus © Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln

Neben dem Hansasaal bilden weitere Gebäudeelemente, die teilweise miteinander verbunden sind, den Kölner Rathauskomplex. Er besteht aus dem um 1330 errichteten Kernbau mit Walmdach, dem von 1407 bis 1414 angebauten Rathausturm, den die Kölner Zünfte als Zeichen ihrer Stadtherrschaft errichten ließen, und einer vorgelagerten Renaissance-Laube. In einem später angegliederten Verwaltungsakt befinden sich Repräsentations- und Diensträumen der Oberbürgermeisterin beziehungsweise des Oberbürgermeisters. Die Piazzetta, ein 900 Quadratmeter großer und 12,60 Meter hoher Freiraum bildet die Mitte des Gebäudeensembles. Unter dem markanten schwebenden Kunstwerk Baldachin (1980) von Hann Trier finden in der Piazzetta überwiegend Veranstaltungen statt.

Beim Empfang zu Ehren Bölls im Dezember 1972, ging es erwartungsgemäß feierlich und gediegen zu. Der damalige Oberbürgermeister der Stadt Köln, Theo Burauen, hielt eine Laudatio auf den Preisträger, in der er Böll als Mensch bezeichnete, der »kein Freund von pathetischen Auftritten sei, dem überhaupt Äußerlichkeiten und Gepränge mißfielen«. Desweiteren hob Burauen hervor, dass Böll »ein heilsamer Mahner aus bitterer Liebe zum Menschen« sei und bat ihn am Ende seiner Rede, sich ins Goldene Buch der Stadt Köln einzutragen, um »die Namen Köln und Böll in einem Buch zu vereinen«. 

Goldenes Buch der Stadt Köln, Bd. 3, Historisches Archiv Köln. Signatur: HAStK Best. 7550, U 1833

In seiner Dankesrede, wie aus den Berichterstattungen in der Lokalpresse zu entnehmen ist, gestand der Literaturnobelpreisträger eine ›Straftat‹, die in die unmittelbare Nachkriegszeit zu datieren ist. Demnach fand Böll vor fast dreißig Jahren zwischen den Trümmern des zerstörten Rathauses den Fuß von einer der beschädigten Ratsherrnfiguren aus dem Hansasaal. Anstatt das ›Ratsherrnfüßchen‹ ordnungsgemäß bei der Stadt abzugeben, nahm Böll es mit und benutzte es fortan als Manuskriptbeschwerer. Bei einem seiner zahlreichen Umzüge habe er es im Verlauf der Jahre wohl dann irgendwann verloren. Nach diesem Geständnis ging man zum gemütlichen Teil des Abends über: serviert wurden traditionell Kölsch und kalte Platten, es wurde geplaudert und Böll ließ sich von Stadtkonservator Dr. Fried Mühlberg die Besonderheiten der Wandfiguren im Hansasaal erklären. Ein gelungener Empfang!

Im Dezember 2022 jährte sich zum fünfzigsten Mal die Verleihung des Literatur-Nobelpreises an Heinrich Böll. Aus diesem Anlass lud Oberbürgermeisterin Henriette Reker zu einer Veranstaltung des Heinrich-Böll-Archivs der Stadtbibliothek Köln in Kooperation mit der Heinrich Böll Stiftung Berlin, der Erbengemeinschaft Heinrich Böll, dem Verlag Kiepenheuer & Witsch und dem dem Kulturradio WDR 3 in die Piazetta des Historischen Rathauses ein. Es diskutieren die Verlegerin Kerstin Gleba (Kiepenheuer & Witsch), die Schriftstellerin Katja Lange-Müller, der Schriftsteller Thomas von Steinaecker und der Rundfunkautor Terry Albrecht über die Wirkung, die Heinrich Bölls Literatur und sein gesellschaftliches Engagement damals hatte und welche Bedeutung ihm heute noch zukommt. Die Moderation hatte die Literaturkritikerin Sandra Kegel.

v.l.n.r.: Terry Albrecht, Kerstin Gleba, Sandra Kegel, Katja Lange-Müller, Thomas von Steinaecker, 24.11.2022, Piazetta Historisches Rathaus © Foto: Max Grönert

Die Berliner Autorin Katja Lange-Müller sprach an diesem Abend über das erzählerische Werk Heinrich Bölls. Einige Aspekte ihrer Ausführungen fasste sie in einem kurzen Text zusammen, den sie dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt hat.

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